"Mutterliebe", wenn das Herz zerbricht....

 

                                                    

 

... auf Rosen gebettet, sollst du liegen,

in meiner Liebe will ich dich ewig sanft wiegen... 

 

(für meinen geliebten und wundervollen Sohn Yasim)

 

ich liebe dich, mein kleiner Samu und vermisse dich so sehr, 

in Liebe, deine Mama 

 

Vielleicht schreibe ich all diese Gedanken nieder, um das schmerzvolle Sehnen nach meinem kleinen Samu zu erlösen; vielleicht will ich aber auch nur mit Menschen teilen, die dasselbe Schicksal erlitten haben wie ich; vielleicht aber auch beides...

 

 Weihnachten steht vor der Tür und eigentlich wären mein Mann und ich über den Markt geschlendert, um Geschenke zu kaufen.

 Und unser jüngster Sohn hätte einen Tannenbaum gekauft, damit unser ältester Sohn mit seinem Bruder und seinem Vater ihn schmücken könnte.

  Und ich hätte schon längst kiloweise Plätzle gebacken, wenn...

  Ja, wenn da nicht das Schicksal so grausam zugeschlagen hätte, indem es uns einfach eine Hälfte unseres Lebens genommen hat.

...Yasim..., unser ältester Sohn hat sein irdisches Gewand abgestreift, seine Hülle uns hinterlassen und hat mit seiner Engelsseele die Heimreise ins Licht angetreten.

 Für uns... unerwartet und plötzlich, einfach aus unserem Leben gerissen und aus Menschensicht auch aus seinem Leben gerissen und damit unser Herz zerissen.

  Wenn ein geliebtes Wesen von uns geht, dann ist da ein unsagbarer Schmerz, den wir nicht greifen können.

 Als Mutter nehme ich mir das Recht heraus und wage zu sagen, daß ein eigenes Kind zu verlieren, das Allerschlimmste ist, das passieren kann.

 Und als Mutter wage ich auch zu behaupten, daß man diese Wunde nicht wirklich heilen kann. Vielleicht lernt man im Laufe der Zeit damit zu leben oder man zerbricht daran vollends.

 Und im Augenblick ist noch alles sehr frisch. Aus dieser Wunde sickert immer noch Herzblut und Tränen begleiten diesen Weg, wie auch Verzweiflung, Wut, Trauer, Hoffnungslosigkeit und LebensUnfreude. 

 Die Fragen wiederholen sich, man sieht keinen Ausweg, keine Lösung und tatsächlich...., wenn sonst im Leben so manche Lösungen da sind..., der Tod ist unumstößlich und daran kann man nichts ändern! Er ist eine Tatsache, mit der man sich am besten anfreunden sollte oder sollte ich sagen, akzeptieren?

 Wie soll man nun damit klar kommen? Wie soll die Ratio davon überzeugt werden, daß die illusionäre Realität eigentlich nur ein Spiel auf der großen Weltbühne ist und die Wirklichkeit schon längst da ist?

...einfach mal mit den Fingern schnippen und sagen:" Hoppla, da war doch was. Ist ja nur ´ne Hülle, braucht man nicht mehr, kann man loslassen..."

 Doch leider funktioniert das so nicht bei menschlichen Wesen, denn das Menschsein erlebt und erfährt mit all seinen Sinnen. Das Menschwesen ist der Ausdruck der Andersartigkeit und der göttlichen Quelle allen Seins. 

 Und dieser Mensch, diese menschliche Hülle, hat dreißig Jahre unseren wundervollen Sohn Yasim verkörpert. Er war auf seinem Glückszenit und just in diesem Moment wurde er heraus gerissen..., klack...einfach mal so geschwind...

 Dreißig Jahre weg, einfach weg...

 Yasim war gerade mal 6 Wochen auf der Badischen Malerfachschule, um seinen KFZ Lackiermeister zu machen. Er wollte seine KFZ Werkstatt in unserem Haus eröffnen und Dieses nach unserem Ableben übernehmen. Dazwischen hatte er auch noch Pläne, z.B. andere Stätte besuchen, andere Dinge zu erleben.Yasim wünschte sich Frau und Kinder und alles schien perfekt.... bis zu diesem einen Moment..............

 Alles hätte ich in Kauf genommen, hätte sogar mein eigenes Leben dafür gegeben, damit Yasim bleiben kann..., mal unabhängig davon, daß man wirklich Suizidgedanken hat, weil dieser Schmerz über den Verlust des geliebten Menschen so unerträglich und nicht greifbar existiert. Man kann diesen Schmerz nicht einfach heraus reißen und sagen:" So, jetzt ist alles gut."

 Und jeder Mensch verarbeitet dieses Erlebnis, diesen Schmerz anders..., auch in der Familie.

 Ob Ablenkung die beste Möglichkeit sei? Das laß ich mal so hingestellt. Aber manch einer tut es. Ist auch verständlich, bevor man vollends wahnsinnig ist. DAS ist leider kein Witz. Ich bin frontal in diesen Schmerz gegangen. Angebote, Schlaf-oder Beruhigsmittel zu nehmen, habe ich abgelehnt, denn ich wußte, wenn ich aufwache, daß mein Sohn Yasim, der verkörperte Yasim, nicht mehr da ist.

 Das ist, wie wenn du abhängig bist, dir auf welche Weise auch immer ein paar Stunden Vergessen zuführst, nur um dann in der Nüchternheit/ im Wachzustand das alles noch schlimmer zu erleben, ein Booster, der wahrlich niemals gut tun kann!

 Die ersten Tage verbrachte ich wie im Nebel, obwohl mein Verstand absolut funktionierte. Ich wollte wirklich aufgeben, meinem Kind folgen. Ich wurde schwächer, war unsicher auf den Beinen, von Appetitlosigkeit und Null Durstgefühl ganz zu schweigen. Ich wußte, was mit mir geschah. Begleitet haben mich auch Atemnot und Herzschmerz. Ich wußte, daß dies alles eine Reaktion war auf die unumstößliche Tatsache, daß mein geliebtes Kind nun übergegangen ist. So eine Bestimmung, so ein Schicksal ... ist unbegreiflich und man versucht zu verstehen, will Erklärungen, sucht nach anderen Auswegen, es verstehen zu können..., aber gleichgültig, was ich auch tue - es hat sich nichts geändert an meiner Rat- und Hilflosigkeit, an meinem Unverständnis, meiner Verzweiflung..., in mir das pure Gefühlschaos und immer wieder der stumme Schrei nach meinem Yasim......

 Doch da ist auch mein anderer Sohn, den ich genauso unermeßlich liebe und der nicht will, daß ich seinem Bruder folge. So habe ich mich entschieden, zu bleiben, solange wie möglich, ja...vielleicht sogar bis zur Erfüllung meines Seelenplans. Vorstellen kann ich es mir allerdings noch nicht, mein restliches Leben in Jahren ohne den Menschen Yasim hier zu verbringen. Es ist noch nicht vorbei, denn wenn die Gefühle mich übermannen, der Schmerz schier unerträglich scheint, sind diese abwegigen Gedanken am stärksten.

 All das kostet mich tagtäglich viel Kraft. Lustlosigkeit begleitet meinen momentan Pfad und getan wird nur das Nötigste. Die Freude hat sich zurück gezogen und der Schrecken auf die kommende Zeit zugenommen, doch es gibt einen Hoffnungsschimmer und der heißt Seelenenergie.

 Obwohl ich all das in der für mich schlimmsten Weise erlebe, so hält mich diese Seelenenergie am Leben. Sie sorgt dafür, daß ich irgendwie weitergehe, auch wenn es sich für mich manchmal so anfühlt, als würde ich keinen einzigen Schritt tun, als würde ich in einer Schlaufe hängen, die kein Anfang und kein Ende hat. 

 Diese Seelenenergie sorgt auch dafür, daß ich mit meinem Sohn Kontakt habe. 

 Ja! Ich habe Kontakt zu meinem Sohn über die Basis der Lichtenergie. Jede Seele ist pures Licht. Und dafür bin ich sehr dankbar, denn ich denke, wäre dies nicht möglich, hätte ich meinem Ableben Vorrang gegeben...

 Jetzt mag Mancher denken, daß dies esoterischer Quatsch ist...- das möge Derjenige für sich selbst entscheiden. Es steht Jedem frei, nach seiner Fasson zu leben, nach seiner Meinung und Einstellung.

 Ich stehe mit meinem Sohn auf und gehe mit ihm zu Bett. Ich trinke meinen Kaffee mit ihm und esse mit ihm, obwohl er das nicht tun müsste. Er setzt sich zu mir an Tisch und geht mit mir und unseren Hunden spazieren. Er begleitet mich überall hin. 

 Yasim hat eine wundervolle Schwingungsfrequenz so wie alle Seelen und wenn ich nicht abgelenkt bin durch Alltäglichkeiten, dann nehme ich ihn wahr und kann so mit ihm reden, einfach mit ihm zusammen sein.

 Wenn er präsent ist, ist diese Frequenz zu hören, aber angenehm und dann können wir Worte miteinander austauschen, wenn wir das möchten.

 Das fühlt sich für mich manchmal an als wäre ich gleichzeitig in zwei Welten, bei Yasim und auf der Erde.

 Das, was uns so Schmerz und Sehnen bereitet, ist die einfache Tatsache, daß unser Liebstes nicht mehr physisch anwesen ist. Wir können unser Liebstes nicht mehr berühren und greifen wie ein Mensch. Für viele von uns ist dieser geliebte Mensch auch nicht mehr sichtbar und/oder hörbar. Wir haben das Gefühl, allein im Bett zu liegen, allein am Tisch zu sitzen und allein zu erledigen, was wir erledigen müssen/wollen/sollen. Wir fühlen uns verlassen, denn für uns scheint klar, daß durch den physischen Tod alles geendet ist. Wo kein Körper, da kein Mensch...

 Die Seele jedoch bleibt, sie ist lebendig. Das aus meinen Zeilen zu lesen, mag vielleicht für den Ein oder Anderen seltsam anmuten, aber nur, weil ich meinen Sohn so sehr als Mensch vermisse, bedeutet das nicht, daß er tot ist, denn letztendlich ist es der menschliche/irdische Teil, der nicht mehr ist und nicht die Seele, die von diesem Körper eingehüllt und behütet durch das Erdendasein getragen, erfahren und gelebt wurde.

 Ich bin keine Ausnahme und letztendlich auch nur Mensch, der, genau so wie jedes andere menschliche Wesen, mit all dem geboren wurde. Auch mit all diesem Schmerz und Sehnen nach meinem Kind.

 Nun sind fast 3 Monate vorbei, während ich hier in Etappen schreibe, seit Yasim physisch gegangen ist und es kommt mir vor wie am ersten Tag der unfassbaren, schrecklichen und schmerzhaften Nachricht. Es fühlt sich für mich immer noch surreal an, wenn ich seine Bilder und Videos sehe, wenn ich mit ihm kommuniziere. Doch der Schmerz ist immer noch da, das Sehnen auch und an manchen Tagen noch stärker und schlimmer. 

 Ich habe noch das Bild der Aufbahrung vor meinem geistigen Augen. 3 Tage, in denen ich ein letztes Mal alles von meinem Sohn in mich aufgenommen habe; 3 Tage, in denen er da lag als würde er schlafen und jeden Moment aufwachen. 3 Tage, in denen ich so sehr gehofft habe, dass dies alles nur ein Irrtum sei, ein schlechter Traum und er würde aufstehen und mit mir nach Hause gehen. 3 Tage, in denen ich schon am ersten Tag Angst hatte, ihn ganz und gar loslassen zu müssen, dabei musste ich ihn loslassen am Tag seines physischen Todes, ob ich wollte oder nicht. Es geschah einfach und meine kleine Welt in mir ist zusammen gebrochen, ich bin gebrochen und mein Leben ist nicht mehr dasselbe, obwohl alles irgendwie weiter geht. Das Leben meiner Familie hat sich verändert, denn das Bewusstsein, dass Yasim sein irdisches Gewand abgelegt hat, wird nie wieder schwinden. Es bleibt und mit ihm all die Traurigkeit, weil er uns als Mensch so sehr fehlt.

 Ich habe keine Weihnachtsplätzchen gebacken, wir haben auch keinen Weihnachtsbaum aufgestellt und es gab weder Festtagsessen noch eine ordentliche Begrüssung für das Neue Jahr. Lediglich ein paar Liebesgrüße per Luftballon und 5 Raketen für Yasim war alles, was wir getan hatten und bevor 2020 begann ohne den Menschen Yasim, aber mit dem Lichtwesen Yasim, bin ich zu seiner Ruhestätte gegangen und habe Wunderkerzen für ihn entzündet. In einem dieser traurigen Augenblicke nahm er mein Handgelenk, dann meine Hand. Ohne Worte und mit vielen Tränen waren wir in der Seele verbunden. 

 Wenn man das nicht selbst erlebt hat, kann man sich nicht wirklich vorstellen, was da mit einem geschieht und wie schmerzhaft das ist. So etwas kann man nicht nach empfinden, auch wenn man mitfühlend ist. Viele Menschen wissen, wovon ich rede, denn sie haben ihr Liebsten gehen lassen müssen, aber vor allem Mütter wissen und können nach empfinden, was in denen Momenten in einem Mutterherz vorgeht und geschieht. Und da helfen in solchen Augenblicken keine tröstenden Worte, gleichgültig, welcher Art und Gesinnung sie sind.

 Eine Mutter ist so sehr und auf innigste mit ihrem Kind verbunden, weil sie es unter ihrem Herzen getragen hat und viele Monate mit ihm in seinem geschützten und behüteten Raum verbracht hat. Sie hat es wachsen gespürt, seine Tritte und seine Liebe. Sie hat sein kleines Herzchen schlagen hör´n, schon Bildchen von ihm gesehen und sich unermeßlich auf seine Ankunft in dieser Welt und ihrem Leben gefreut. Bis zu seiner Geburt war die Nabelschnur das Einssein mit dem kleinen Wesen. Dann musste sie es hinaus geben in diese Welt, mit ihm gehen, bis es selbst gehen konnte und dann loslassen in das Erwachsenenleben. Ganz und gar loslassen ist eines der letzten Schritte, die eine Mutter tun sollte, doch in den Lebensplan eines Menschen können wir nicht eingreifen.

 Auch Väter und Geschwister haben eine Weise der Verbindung, auch wenn sie das Engelswesen nicht in sich getragen haben. Aufgrund ihrer Liebe können sie genauso eng verbunden sein. Sie haben vieles mit diesem wundervollen Menschen geteilt und Zeit verbracht. Da gab und gibt es viele Gemeinsamkeiten, die man meist erst hinterher wirklich wahrnimmt. Die Liebe kennt auch in diesem Fall keine Grenzen. 

 Es spielt keine Rolle, WEN wir ganz und gar aus diesem Leben loslassen müssen.Die Art & Weise, den Schmerz zu verarbeiten und vielleicht zu heilen, entscheidet Mensch selbst, aber die Liebe bleibt ein inniges und ewiges Momentum, sei es nun der Lebenspartner, das Kind, die Eltern oder Geschwister.

 Manchmal entscheiden sich die kleinen Wesen erst im Bauch, ob sie bleiben oder gehen möchten. Sie haben zwar die Eltern erwählt und auch zugestimmt, ein Leben als Menschenkind zu wollen, aber dann treffen sie eine Wahl, die uns Mütter und Väter unfassbar traurig macht.

  Es kann sein, bei mehr als einem Kind, das Eines von ihnen wieder in die Lichtheimat zurück geht und das andere Kind ein paar Tage danach hinter geht oder allein geboren wird. Es kann auch sein, dass ein Kind die Wahl ins Licht zu gehen, erst nach der Geburt entscheidet oder während der ersten Lebensjahre.

 All diese wundervollen SternenLichtEngel haben uns für einen kurzen oder längeren Moment unermeßliches Glück geschenkt. Sie waren, sind und bleiben ein Geschenk des Himmels. Und trotzalledem ist die Zeit mit ihnen immer viel zu kurz. Wann auch immer unsere Kinder den Rückweg ins Licht antreten, es ist immer zu früh.................

 Seit Yasim rück geboren wurde, bin ich täglich an seiner Ruhestätte und besuche auch regelmäßig die Unfallstelle und obgleich ich das jetzt schon seit knapp 3 Monaten tue, ist es für mich immer noch unfassbar und schmerzvoll zugleich. Das Ganze erscheint mir unwirklich, absolut unwirklich, denn ich sehe ihn immer noch wie er als Mensch gelebt hat. Mein Kopf sagt mir, dass er physisch gestorben ist, aber mein Herz sieht das anders. Meine Seele weiß um die Lebendigkeit von Yasim und doch "hänge" ich irgendwie immer noch an seiner Verkörperung als Mensch. Mein Sohn hat mir in den letzten Wochen oft gesagt: "Mama, das hier bin wirklich ich, das bin ich." Und manchmal sagt er auch, dass sein Körper nur die Hülle war, die seine Seele getragen, behütet und beschützt hat. 

 Man versucht etwas zu begreifen, was man nicht begreifen kann und doch, so seltsam diese Worte auch oftmals in meinen eigenen Ohren klingen mögen..........- es geschieht nie ohne Sinn und es hat einen Wandel wie auch eine Veränderung zur Folge. Wirklich erfahren werden wir erst, wenn es für uns soweit ist.

" Der erlebte Moment ist Vergangenheit "

 Dem stimme ich voll zu, doch in Bezug auf das Geschehen mit meinem Sohn fällt es mir sehr schwer. Als Mensch will ich diese Tatsache nicht wahrhaben, will, daß es rückgängig gemacht wird und er zurück kommt, obwohl ich weiß, daß dies nicht mehr in dieser Form möglich ist..., es läuft nun auf einer anderen Ebene ab.

 Es heißt, wir leben jetzt in einer Zeit, wo alles möglich ist, eine Zeit, in der wir verkörpert aufsteigen werden, doch für mein Kind galt dies nicht, denn er ist zwar aufgestiegen, aber ohne seinen Körper. Umso mehr hat mich diese Erfahrung geschockt. Warum ist es nicht machbar, wenn man seinen Seelenplan erfüllt hat, einfach weiterhin auf der Erde zu leben, bei seinen Lieben, in all der Weisheit, die man dann in diesem Leben schon erlangt hat? Warum? Dieses Warum geistert mir durch den Kopf und macht mich halb wahnsinnig, wenn ich es vielleicht nicht schon bin...

 Was bedeutet es wirklich, verkörpert aufzusteigen? Ich habe es noch nicht wirklich heraus gefunden. Ich habe eine gewisse Vorstellung davon in meinem Kopf, die mehrere Variationen anbieten, aber welche davon nun die Wirkliche ist, das vermag ich noch nicht zu sagen. Ich weiß nur eins, so, wie ich zu diesem jetztigen Zeitpunkt mit meinem Yasim in Verbindung stehe, rettet das mir auf eine gewisse Art und Weise das Leben. Warum? Es schenkt mir Hoffnung und für diese Augenblicke das Gefühl der wahren Wirklichkeit und daß nach dem physischen Tod nichts endet, aber alles beginnt. Weniger leicht zu verstehen, aber mit dem Herzen voll und ganz zu erfassen.

 Doch ich will nicht alles schön reden. Die Tage, an denen ich kurz vor dem Durchdrehen stehe, an denen ich mir das Ende meines irdischen Lebens wünsche, gibt es noch reichlich. Letztendlich bin ich Mensch und habe damit zu kämpfen. Erst, wenn ich aufgebe und die Perlen der Heilung fließen, ich keine Kraft mehr habe, dagegen anzugehen oder besser gesagt, gegen mich selbst zu sein, erst dann wird es ein klein wenig leichter und ich weiß, daß ich dann nicht allein bin, sondern ein ganzes Lichterseelenmeer mich umgibt und mich trägt.

 Wenn wir vorher schon wüßten, was wir im Himmel abgesprochen haben, dann hätten wir vielleicht eine Chance auf Änderung, aber da das Vergessen geraume Zeit nach der Geburt bzw. relativ schnell nach dem Kleinkindalter eintritt, ist die Möglichkeit darauf gering. Auf der anderen Seite...- wie würde sich unser Leben anfühlen, wenn wir alles wüßten, was auf uns zukommt? Wäre uns damit geholfen? Könnten wir dann noch unsere Lebensaufgabe in Erfüllung bringen?

 Yasim war als Baby und Kleinkind aufgeweckt und fröhlich, doch mußten auch wir unseren Sohn so erziehen, daß er in die Gesellschaft hinein passt. Damit begann der Weg des Vergessens. Damals wußte ich das nicht.Heute weiß ich, daß wir als Eltern immer nur das Beste für unsere Kinder wollen, aber das Beste ist nicht immer das Beste für unsere Kinder.

 Erst als ich mich für meinen Spirit entschied, wurde mir das bewußt, doch da war Yasim schon aus seinen Kinderschuhen heraus gewachsen. Doch hat er einen Weg gewählt, auf dem er sich selbst sein konnte. Das habe ich unterstützt. Ich legte meinem Kind keine Steine mehr in den Weg, seit ich mich spirituell weiterbilden konnte. Das bedeutet nicht, daß ich keine Fehler mehr machte, aber ich habe meine Sicht erweitert, das Gelernte in die Praxis umgesetzt und so manches anders gemacht als zuvor.

 Yasim ist seinen Weg gegangen. Er hat von Moment zu Moment gelebt, war nicht materiell veranlagt und immer hilfsbereit. Und nach allem, was er bisher erlebt und erfahren hatte, hat er sich sein inneres Kind bewahrt. Er konnte einen großen Teil seiner Wünsche wahr werden lassen und das war ihm wichtig. Das einzige, was er wirklich in den letzten paar Jahren plante, war der Wunsch nach eigener Familie. Dieser ging leider nicht in Erfüllung.

 Doch der Spirit macht es mir nicht weniger leicht, die Tatsache anzuerkennen, daß mein Kind seinen Körper verlassen hat und auf eine andere Ebene gewandert ist. Ein Umzug mehr wäre mir lieber gewesen statt ein vollständiger Auszug. Man läßt seine Kinder in das Leben hinaus, aber man will sie nicht ganz und gar loslassen. Das hat mir wieder einmal deutlich gemacht, wie schwer Loslassen ist. Natürlich müssen wir oft in unserem Leben etwas loslassen, aber Das ist das Schwierigste und Schwerste - sein Kind als Mensch verabschieden zu müssen...

 Er fehlt mir so sehr, daß der Schmerz mir manchmal den Atem und die Kraft raubt, weiter zu machen. Obwohl ich um all diese Dinge weiß, ist das mein größter Kampf.

 

Die Tage kommen und gehen und mittlerweile sind 5 Monate vergangen. Kaum vorzustellen, daß es weiter geht und doch ist es so. Der Alltag ist da, aber dazwischen sind die Momente für Yasim. Das erste Mal seine Ruhestätte anders zu gestalten, fiel mir sehr schwer. Irgendwie wollte ich all die Kränze, die dort noch lagen, nicht entfernen, doch dann begann ich einfach. Ich hatte sein Friedensbett für die weihnachtliche Zeit vorbereitet. Dann fürs Frühjahr das farbenfrohe Kleid. Die Lichter wurden mehr und so kann man schon am Eingangstor erkennen, wo Yasims heilige Überreste ruhen, wenn man die Stätte am Abend besucht. Der Engel, der mir einst von Yasim, seinem Bruder und meinem Mann geschenkt wurde, ziert nun seine Stätte. Das wunderschöne Kreuz mit großen Engelsflügeln wurde von seinem ältesten Bruder hergestellt. Alles weist daruf hin, das Yasim als Mensch mit uns gelebt hat und immer noch existiert, wenn auch von der lichten Ebene aus. Alles an ihn soll erinnern, nichts von seinem Menschsein soll vergessen werden. Das mag jetzt zwar egoistisch klingen, aber ehrlich gesagt, spielt das für mich als Mutter keine Rolle, wie das wirken mag. Für mich ist seine Existenz wichtig, auch wenn sie hier auf Erden gelöscht wurde.


Inzwischen sind nun 3 Jahre vergangen, in denen ich viel an meinen Yasim geschrieben habe.Ich stehe weiterhin mit ihm morgens auf und abends zu Bett, während ich ihn dann bitte, mich auf meiner nächtlichen Seelenreise zu begleiten. Auch die Mahlzeiten so wie unseren morgendlichen Kaffee nehmen wir gemeinsam ein. Es ist kein Tag ohne ihn vergangen, jedoch immer mit ihm. Die Erinnerungsstätten sind immer versorgt. Ich gehe jeden Tag an die Ruhestätte und an freien Tagen halte ich mich dort auch gerne länger auf. Die Unfallstelle ist auch versorgt, nur habe ich den zeitlichen Besuchsrahmen etwas eingeschränkt, weil ich alles gut fixiert habe und mir keine Sorgen machen muss, dass durch meine Unbedachtheit etwas zerstört werden könnte. Die Stätten werden an bestimmten Festtagen und an seinem Ehrentag etwas geschmückt. Auch das Licht leuchtet wie eh und je; darauf achte ich, auch wenn mir bewusst ist, dass Yasims Licht heller als all die Kerzen und Lichterketten leuchtet.


Warum erzähle ich das alles? ... Weil ich damit vermitteln will, dass unsere Kinder nie wirklich weg sind. Sie haben nur ihr irdisches Gewand abgestreift wie alle lieben Menschenseelen, die einst unter und mit uns gelebt haben wie auch die lieben Tierseelen. Ihre Körper unterlagen der Vergänglichkeit, aber ihre göttliche Energie ist ewig lebendig. Ich erzähle es aber auch, weil ich gerne von meinem Schatz spreche, weil ich ihn für das Aussen in Erinnerung halten will; denn nur, weil er nicht mehr sichtbar ist, bedeutet das nicht, dass er nicht mehr existiert. Er ist lebendig, lebendiger als wir es je in dieser menschlichen Weise sein können. Und es hilft auch mir, tut mir wohl, von ihm reden zu dürfen.


Es wäre gelogen, zu sagen, der Schmerz wäre weg; gelogen, zu sagen, Yasim nicht mehr zu vermissen, denn ich bin auch Mensch im Verstand, der mich deutlich einschränkt, obwohl ich um diese Dinge weiss. Das ist dann meine dunkle Grube, in die ich falle, wenn ich wieder in solch schmerzenden Momenten bin. Aber ich lebe damit, kann mittlerweile damit umgehen und verweigere mir diese Momente nicht. Denn es bedeutet weniger Kraft, Diesen anzunehmen, statt dagegen anzukämpfen,  was deutlich mehr Kraftaufwand ist.


Ich betätige mich wieder etwas mehr und habe im Sommer begonnen, Gemüse anzupflanzen und auch Obst zu pflücken, um Marmelade und Säfte daraus zu machen. Teilweise setze ich auch meine Essenzen an. Das hatte ich über zwei Jahre still gelegt, weil mein Interesse dafür verschwunden war, doch ich habe mich entschieden, Schritt für Schritt zu beginnen. 

Dinge, die für mich viele Jahre selbstverständlich waren, zu meinen Lebensalltag gehörten, waren plötzlich weg gebrochen wie ein Boden, den man unter seinen Füssen verliert, wenn man in die Leere fällt. Der Tod meines Kindes hat mich zerbrochen, aber ich habe einen Weg gefunden...

Das Malen ist noch etwas still gelegt und ein paar Sachen, die ich früher sehr gerne getan habe. Auch Veranstaltungen wie gerade jetzt die Weihnachtsmärkte, besuche ich noch nicht. Doch ich bedränge mich nicht selbst, denn ich lasse mich von meiner Seele führen. Wie gesagt - Schritt für Schritt und so wie es mir angenehm ist.

Was auch immer ich tue...- mein Yasim Schatz ist immer dabei.